Donnerstag, 12. April 2012

Iron Sky

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Region.

Timo Vuorensolas Kinodebüt Iron Sky hat schon lange vor der Premiere an der diesjährigen Berlinale für Aufsehen gesorgt. Das Konzept – Nazis vom Mond – eckte an, empörte, belustigte, fachte die Vorfreude an. Nun ist der Film im Kino zu sehen. Gewitzt? Ja. Überzeugend? Nein.

Hätte er das Budget gehabt, wäre die Ikone des B-Movies, Trash-Regisseur Edward D. Wood Jr., kurz Ed Wood (Plan 9 from Outer Space), womöglich selbst auf eine derartige Idee gekommen: Abgesandte der NSDAP flohen kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges mittels selbst hergestellter fliegender Untertassen auf die dunkle Seite des Mondes, wo sie seither die Rückeroberung der Erde planen. 73 Jahre nach dem Exodus ist es soweit. Als ein afroamerikanischer Astronaut auf einer Mondmission, deren Ziel es unter anderem ist, der US-Präsidentin (Stephanie Paul als Sarah-Palin-Verschnitt) die Wiederwahl zu sichern, auf eine Anlage der Nazis treffen, nimmt das Unheil seinen Lauf: Der neue Führer, Wolfgang Kortzfleisch (der deutsche Kultschauspieler Udo Kier), lässt den hinterhältigen Offizier Klaus Adler (Götz Otto) zur Erde reisen. Mit dabei bei der Erkundungsmission ist dessen von der nationalsozialistischen "Friedensideologie" überzeugte Freundin Renate (Julia Dietze).

Im Komödiengenre sind Nazis schon seit Jahrzehnten Freiwild, ihre Persiflage hat Tradition. Während der Vierziger- und Fünfzigerjahre konnte sich praktisch jeder Darsteller deutscher Herkunft sein Geld mit dem Mimen simpel gestrickter SS- und Gestapo-Schergen verdienen; die passenden Drehbücher dazu wurden nicht selten von – welch Ironie – Juden verfasst. Vor allem der Hamburger Sig Ruman machte sich in diesen Rollen einen Namen; unvergessen seine Auftritte als Johann Sebastian Schulz in Billy Wilders Stalag 17 (1953) oder als Colonel "Concentration Camp" Ehrhardt in Ernst Lubitschs To Be or Not to Be (1942). Dementsprechend wirkt die Kritik, Iron Sky sei geschmacklos und anstössig, fast ein wenig lächerlich, besonders da es dem Film ganz anderes anzukreiden gibt. Vuorensola ist weder Lubitsch noch Wilder, Götz Otto ist nicht Ruman. Die Witze, die hier mit den Nazis getrieben werden, sind eher von der fantasielosen Seite und erschöpfen sich in teutonisch-zackiger Diktion und schneidiger Haltung sowie einer übersteigerten Obrigkeitshörigkeit, die man auch schon origineller umgesetzt gesehen hat.

Die Mondnazis Klaus (Götz Otto, rechts) und Renate (Julia Dietze) erkunden die Erde mithilfe eines entführten Astronauten (Christopher Kirby).
Auch die Slapstick-Einlagen und One-Liner wollen Vuorensola nicht so richtig gelingen: Die ersten 40 Minuten von Iron Sky erschöpfen sich in abgedroschenen Linien und dürftig getimter Bewegungskomödie. Überraschenderweise sind die Witze dann am besten, wenn sich der Streifen auf der satirischen Schiene bewegt und die amerikanische Kriegspolitik ("The Nazis?! They're the only ones we've ever beaten in a fair fight!"), den nordkoreanischen Grössenwahn oder die fast schon ermüdende Friedfertigkeit Finnlands, seines Herkunftslandes, verspottet. Die Szenen im UNO-Konferenzraum, welche unübersehbar Stanley Kubricks Dr. Strangelove evozieren, bilden zweifellos die Highlights des Films.

In seinen stärksten Momenten ist Iron Sky ein mit funktionierender Politsatire vermischtes Stück urkomischen Blödsinns im allerbesten Sinne. In seinen schwächsten kommt er nicht über das Niveau einer schwachen Hit-and-Miss-Komödie hinaus. Ein Kinobesuch lohnt sich aber dennoch – und sei es wegen der haarsträubend grotesken Grundidee.

★★★

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