Dienstag, 4. Dezember 2012

Trouble with the Curve

Als Clint Eastwood beim diesjährigen Parteitag der Republikanischen Partei mit einem leeren Stuhl auf der Bühne konversierte, erhielt der Kultstatus von "Dirty" Harry Callahan und dem Man with No Name ein paar Risse. Dementsprechend ist auch die Euphorie darüber, dass er erstmals seit 2008 wieder vor der Kamera steht, vergleichsweise verhalten. Dabei ist Trouble with the Curve ein hochgradig unterhaltsamer Sportfilm alter (Eastwood'scher) Schule, der einen Kinobesuch lohnt.

Schon seit Jahrzehnten steht Gus Lobel (Eastwood) als Baseball-Scout bei den Atlanta Braves in Diensten. Doch da seine Vorgesetzten, allen voran Philip Sanderson (Matthew Lillard), zunehmend auf Statistiken aus dem Internet setzen, ist seine Arbeit unsicherer denn je, besonders, da er obendrein noch von einer plötzlichen Sehschwäche heimgesucht wird. Als er sich auf eine Talentsuche nach North und South Carolina begibt, schickt ihm sein Freund Pete (John Goodman) seine Tochter Mickey (Amy Adams) hinterher. Da sich die beiden aber schon seit langem nicht mehr verstehen, lässt Gus nichts unversucht, die erfolgreiche Anwältin wieder nach Hause zu schicken. Die Beziehung der beiden Sturköpfe wird aber durch das plötzliche Auftauchen des ehemaligen Baseball-Talents Johnny Flanagan (Justin Timberlake), der nun als Scout für die Boston Red Sox unterwegs ist, aufgemischt.

Obwohl Poster und Vorspann unmissverständlich beteuern, dass nicht Eastwood selber, sondern sein langjähriger Produzent und Assistent Robert Lorenz auf dem Regiestuhl von Trouble with the Curve Platz nahm, ist es schier unmöglich sich vorzustellen, dass der Meister selbst seine Finger hier nicht im Spiel hatte. Zu stilsicher, zu geradlinig ist das Ganze inszeniert, zu organisch und flüssig verläuft der Plot; man ahnt, dass hier jemand mit 40 Jahren Erfahrung an der Regie mindestens mitbeteiligt war.

Baseball-Scout Gus Lobel (Clint Eastwood) am Grab seiner Frau.
Diese Fachkompetenz ist auch darum höchst willkommen, weil das Drehbuch des Debütanten Randy Brown für sich allein nicht überzeugen kann. Man mag ihm aufgrund der bestehenden Genre-Konventionen gewisse Unstimmigkeiten nachsehen – ein Sportfilm ist mitunter kitschig, melodramatisch und klischiert –, doch ein wenig mehr Tiefe und etwas ausgeprägtere Schattierungen im Stil von Invictus hätten der Angelegenheit gut zu Gesicht gestanden; so stapft Mickey in der ersten Hälfte etwas gar oft einfach wütend davon.

Derlei Mängeln stehen aber gewichtige Gegenargumente gegenüber, welche keinesfalls übersehen werden dürfen. Eastwoods grantiger Gus Lobel mag nicht die Vielschichtigkeit seines Walt Kowalski in Gran Torino erreichen, doch auch so knurrt, grummelt und kalauert er in Höchstform. Und wenn es darauf ankommt, dann zeigt er immer noch auf virtuose Art und Weise, weshalb er schon längst einen Schauspiel-Oscar sein Eigen nennen können müsste: Als sich Gus am Grab seiner vor vielen Jahren verstorbenen Ehefrau niederlässt – eine eindeutig an John Ford angelehnte Szene –, ihr ein Glas Bier einschenkt und schliesslich unter Tränen Jimmie Davies' "You Are My Sunshine" singt, verwandelt sich sein Knurren in ein leises Krächzen, in dem jedes von Eastwoods 82 Lebensjahren anklingt. Der leere Stuhl ist vergessen; hier spielt ein Gigant der Leinwand. Und doch muss niemand neben ihm verblassen. Amy Adams überzeugt einmal mehr mit einer souveränen Leistung, Justin Timberlake beweist als junge Altlast ein weiteres Mal sein schauspielerisches Talent, John Goodman gibt den gewissenhaften besten Freund mit viel Einfühlungsvermögen und einem gesunden Mass an Lakonie.

Die andere Frau in Gus' Leben: Seine erfolgreiche Tochter Mickey (Amy Adams) begleitet ihn auf seiner Talentsuche.
Es ist eine einfache Formel, die dem Film letztlich zum Erfolg verhilft. Die hervorragenden Darsteller, die saubere, von Tom Sterns Kameraarbeit veredelte Inszenierung und die sympathischen Charaktere werden durch eine wunderbar nostalgische Atmosphäre unterstützt, welche man aus den Frühwerken Eastwoods zu kennen glaubt. Viel Neues steuert Regisseur Lorenz – wie auch immer sein effektives Arbeitspensum nun ausgesehen haben mag – zum Kanon der amerikanischen Sportfilme zwar nicht bei, doch er zeigt, wie auch alte Muster reizvoll neu aufbereitet werden können. Trouble with the Curve ist ein grundsolides Stück Genre-Unterhaltung. Wer das garstige Spätherbstwetter leid ist, wird an Gus Lobels Sinn- und Spielersuche durch die sonnendurchfluteten Carolinas seine helle Freude haben. Auf dass die leeren (Kino-)Stühle gefüllt werden mögen.

★★★★

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